Der Abfall-Laden soll als „Lehrpfad“ zu einem besseren Verständnis der Abfallhierarchie beitragen.

Irrtümlich wird, bei der Deutung der Abfallhierarchie, im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die an der Spitze der Hierarchie stehende „Vermeidung“ bedeutet, dass kein Abfall erzeugt werden soll. Dem ist jedoch gar nicht so.

Was ist ein Abfall-Laden?

Aus Mangel an Platz und Zeit, um sich um eine Weiterverwendung zu kümmern, werden viele Dinge, die eigentlich noch verwendbar wären, zu Abfall. Die Abfallhierarchie schreibt im Umgang mit zu Abfall gewordenen Gegenständen zunächst die Vorbereitung zur Wiederverwendung vor. Ein Abfall-Laden ist also eine Einrichtung, in der diese Vorbereitung umgesetzt wird. Betreiber von Abfall-Läden sind keine Kaufleute, sondern Umwelt-aktive Vorbereiter/innen. Wer seinen Bedarf in einem solchen Laden deckt, ist Wiederverwender/in, leistet einen aktiven Beitrag zum Schutz der Umwelt und finanziert gleichzeitig die Arbeit der Vorbereiter/innen.

Die Wiederverwendung ist gleichbedeutend mit der am Anfang der Abfallhierarchie stehenden Vermeidung. Im Gegensatz zur sinnverwandten Abfallvermeidung, die innerhalb des Endverbrauchs immer in einem Zusammenhang mit der Weiterverwendung steht, ist die Vermeidung grundsätzlich das Ergebnis der Wiederverwendung nach einer beseitigten Abfalleigenschaft und zählt damit zum Abfallregime.

So wie die Abfallvermeidung das Leitmotiv innerhalb des Endverbrauchs ist, ist die Vermeidung das Leitmotiv im Umgang mit erzeugten Abfällen. Es handelt sich also nicht um das ein und dasselbe Handlungsfeld, sondern um zwei Handlungsfelder. Es sind tatsächlich „Schwesterbegriffe“, die sich ähneln wie eineiige Zwillinge, die jedoch in zwei voneinander abgetrennten Räumen leben. Die „Trennwand“ zwischen diesen beiden Räumen ist die Entledigung. Alles, was vor der Entledigung eine Weiterverwendung fördert, dient der Abfallvermeidung und das, was nach der Entledigung zur Wiederverwendung führt, dient der Vermeidung von erzeugten Abfällen.

Nur solche Maßnahmen, die vor der Entledigung zur Förderung einer Weiterverwendung unternommen werden, dienen der Abfallvermeidung. Dagegen fördern solche, die nach einer Entledigung an zu Abfall gewordenen Gegenständen vorgenommen werden, einer Vorbereitung zur Wiederverwendung und führen im Ergebnis zur Vermeidung dieser erzeugten Abfälle. Denn die tatsächlich stattfindende Wiederverwendung, der zuvor zu Abfall gewordenen Gegenstände, ist die eigentliche Vermeidung. Diese muss jedoch durch einen Vorbereiter angebahnt werden.

Die Abfallvermeidung findet also vor der Entledigung statt und dazu zählt auch der mehrwertsteuerpflichtige Gebrauchtwarenhandel. Dagegen ist die Vermeidung das Ergebnis einer Wiederverwendung, die auf eine Entledigung folgt und damit nicht mehr Bestandteil des Endverbrauchs. Mehrwertsteuer darf jedoch nur auf den Endverbrauch angewendet werden, und zwar bis zur Einzelhandelsstufe. So sieht das Artikel 1 (2) der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie vor.

Genau diesen Unterschied zwischen einer steuerpflichtigen Lieferung innerhalb des Endverbrauchs und einer steuerfreien Weitergabe für die Wiederverwendung innerhalb des Abfallregimes, versuche ich mit Abfall-Laden im Haus der Wiederverwendung nachzuweisen.

Rechtliche Grundlage ist die

RICHTLINIE 2008/98/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 19. November 2008

über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien

(31) Die Abfallhierarchie legt im Allgemeinen eine Prioritätenfolge dafür fest, was ökologisch gesehen die insgesamt beste abfallrechtliche und abfallpolitische Option ist; bei bestimmten Abfallströmen kann jedoch ein Abweichen von dieser Hierarchie erforderlich sein, wenn Gründe wie etwa die technische Durchführbarkeit oder wirtschaftliche Vertretbarkeit und der Umweltschutz dies

rechtfertigen.

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. „Abfall“ jeden Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss;

6. „Abfallbesitzer“ den Erzeuger der Abfälle oder die natürliche oder juristische Person, in deren Besitz sich die Abfälle befinden;

12. „Vermeidung“ Maßnahmen, die ergriffen werden, bevor ein Stoff, ein Material oder ein Erzeugnis zu Abfall geworden ist, und die folgendes verringern:

a) die Abfallmenge, auch durch die Wiederverwendung von Erzeugnissen oder die Verlängerung ihrer Lebensdauer;

13. „Wiederverwendung“ jedes Verfahren, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile, die keine Abfälle (mehr) sind, wieder für denselben Zweck verwendet werden, für den sie ursprünglich bestimmt waren;

6. „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wiederverwendet werden können;

Artikel 4

Abfallhierarchie

(1) Folgende Abfallhierarchie liegt den Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen im Bereich der Abfallvermeidung und -bewirtschaftung als Prioritätenfolge zugrunde:

a) Vermeidung

b) Vorbereitung zur Wiederverwendung,

c) Recycling,

d) sonstige Verwertung, z.B. energetische Verwertung,

e) Beseitigung.

(2) Bei Anwendung der Abfallhierarchie nach Absatz 1 treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Förderung derjenigen Optionen, die insgesamt das beste Ergebnis unter dem Aspekt des Umwelt-schutzes erbringen. Dies kann erfordern, dass bestimmte Abfallströme von der Abfallhierarchie abweichen, sofern dies durch Lebenszyklusdenken hinsichtlich der gesamten Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung dieser Abfälle gerechtfertigt ist.

Artikel 6

Ende der Abfalleigenschaft

(1) Bestimmte festgelegte Abfälle sind nicht mehr als Abfälle im Sinne von Artikel 3 Buchstabe a anzusehen, wenn sie ein Verwertungsverfahren, wozu auch ein Recyclingverfahren zu rechnen ist, durchlaufen haben und spezifische Kriterien erfüllen, die gemäß den folgenden Bedingungen festzulegen sind:

a) Der Stoff oder Gegenstand wird gemeinhin für bestimmte Zwecke verwendet;

b) es besteht ein Markt für diesen Stoff oder Gegenstand oder eine Nachfrage danach;

Artikel 11

Wiederverwendung und Recycling

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen, soweit angemessen, Maßnahmen zur Förderung der Wieder-verwendung von Produkten und der Vorbereitung zur Wiederverwendung, insbesondere durch Förderung der Errichtung und Unterstützung von Wiederverwendungs- und Reparaturnetzen sowie durch Einsatz von wirtschaftlichen Instrumenten, Beschaffungskriterien oder quantitativen Zielen oder durch andere Schritte.